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Regionaler Biomarkt NRWErzeugung, Verarbeitung und Handelvon Ökolebensmitteln in Nordrhein-WestfalenMarktanalysen – Fallbeispiele4. vollständig überarbeitete Auflage, Dezember 2015www.umwelt.nrw.de

Regionaler Biomarkt NRWErzeugung, Verarbeitung und Handelvon Ökolebensmitteln in Nordrhein-WestfalenMarktanalysen – Fallbeispiele4. vollständig überarbeitete Auflage, Dezember 2015HinweisMit den Begriffen „biologisch“ und „ökologisch“ bzw. den Vorsilben „Bio-“ und „Öko-“dürfen nur solche Produkte gekennzeichnet werden, die die Vorschriften der EU-VerordnungÖkologischer Landbau und ihre Durchführungsbestimmungen erfüllen. Die detailliertengesetzlichen Bestimmungen sowie Erläuterungen dieser Bestimmungen finden Sie in derkostenlosen Broschüre des Ministeriums „EU-Verordnung Ökologischer Landbau“.Die Broschüre befindet sich auch zum Download unter „www.umwelt.nrw.de“ (RubrikLändliche Räume, Landwirtschaft und Tierhaltung/Landwirtschaft und Umwelt/Ökologischer Landbau).

4 InhaltInhaltVorwort81. Einleitung102. Erzeugung17Birgit Will, Markus RippinMarktsituation in dem Segment GetreideAnbaufläche wächst nur langsam, obwohl Nachfrage deutlich anziehtFallbeispiel 1: Getreide mit eigener Verwertung2326Marktsituation in dem Segment Milch/RindMilch: Bio-Erzeugung kann mit dem Nachfragezuwachs nicht Schritt haltenRindfleisch: Absatzpotenziale stärker ausschöpfenFallbeispiel 2: Stark in der regionalen MilchversorgungFallbeispiel 3: Die Vermarktung entscheidet28283032Marktsituation in dem Segment SchweineGestiegene Erzeugerpreise führten zu einem ÜberangebotFallbeispiel 4: Abgerundetes Angebot3436Marktsituation in dem Segment Gemüse/KartoffelnInnovative Kooperations- und Vermarktungsansätze bieten Neueinsteigern ChancenFallbeispiel 5: Produktvielfalt ist Trumpf3842Marktsituation in dem Segment Geflügel/EierBio-Eier und -Geflügel 2014 wieder auf WachstumskursFallbeispiel 6: Qualitativ wachsen – flexibel auf Kundenwünsche reagieren4446Marktsituation in dem Segment ObstNachfrage nach heimischer Ware steigt – Produktion nimmt zuFallbeispiel 7: Forschen für die Praxis4850

EinleitungInhalt 54. Außer-Haus-Verpflegung70Rainer RoehlMarktsituation Außer-Haus-VerpflegungImmer mehr Menschen und Trinken außer HausBiomarkt mit PotenzialUnterschiedliche Bio-KonzepteBio im Wettbewerb der Wertschätzung70757779Marktsituation Studentenwerke, Schulen und KindertagesstättenBio ist PflichtveranstaltungFallbeispiel 11: Mensaverein Ronsdorf in Wuppertal8082Marktsituation BetriebsgastronomieGesundheits- und NachhaltigkeitsmanagementFallbeispiel 12: Esprit Europe GmbH in Ratingen8486Marktsituation Kliniken und HeimeBio trotz knapper BudgetsFallbeispiel 13: LWL-Kliniken Münster und Lengerich8889Marktsituation Gastronomie und HotellerieProfilierung mit Bio aus der RegionFallbeispiel 14: Restaurant Lippeschlößchen in Wesel9192Marktsituation Marken- und SystemgastronomieBio mit SystemFallbeispiel 15: Temma Deli & Café in ktsituation in dem Segment Fleisch- und WurstwarenHandel könnte Bio-Fleisch stärker zur Profilierung nutzenFallbeispiel 10: Rechtzeitig für die Zukunft aufgestelltHandel6062Direkt vermarktungMarktsituation in dem Segment MilchprodukteMilchproduktion trotz steigender Erzeugerpreise weiterhin zu geringFallbeispiel 9: Wachstum mit SpezialitätenInformationenzum Biomarkt5458Literatur/AdressenMarktsituation in dem Segment Brot- und BackwarenÖko-Brot vom BäckerFallbeispiel 8: Der konsequente BiobäckerErzeugung52Birgit Will, Markus RippinDaten und Fakten3. Verarbeitung

6 InhaltMarktsituation Catering-UnternehmenWettbewerbsvorteil durch Bio-AngeboteFallbeispiel 16: Rebional GmbH in HerdeckeMarktsituation Lieferanten und UnterstützerÜber 250 Lieferpartner in NRWFallbeispiel 17: Direktvermarktung –Biohof Rülfing in RhedeFallbeispiel 18: Großhandel – Landlinie in KölnErfolg durch Beratung und Unterstützung5. Handel9798100102103104105Birgit Will, Markus RippinMarktsituation NaturkostfachhandelExpansionswelle im FachhandelFallbeispiel 19: Nur Bio und regional ergibt Sinn110112Marktsituation NaturkostgroßhandelHandel ist WandelFallbeispiel 20: Im Dienste des Fachhandels114116Marktsituation LebensmitteleinzelhandelLEH konsolidiert auf erreichtem hohem NiveauFallbeispiel 21: Hohe Umsätze auf kurzen Wegen118122Discounter bei Bio nicht immer die preiswerteste AlternativeBio-Supermärkte oft nur leicht teurer124Marktsituation ErzeugergemeinschaftDie Marktkräfte bündelnFallbeispiel 22: Viele Wege führen zum Kunden1281306. Direktvermarktung132Dieter KroppenbergBeispiele für Entwicklungen in der DirektvermarktungBiomarkt NRW – Direktvermarktung im Überblick133135Vom Ab-Hof-Verkauf zum HofladenErste SchritteFallbeispiel 23: Am Aachener Stadtrand: zwei Hofläden – zwei KonzepteFallbeispiel 24: Den Hofladen in die Stadt verlegt136138142

Abokisten und LieferdiensteVon der Standardkiste zur individuellen LieferungFallbeispiel 28: Individuell, flexibel und nun auch mobil bestellen152154Weiteres Beispiel der Direktvermarktung: CSA1561588. Literatur/AdressenLiteraturempfehlungen und LiteraturnachweiseZeitschriften zum ökologischen LandbauInternetadressenAdressen, Verbände und Impressum178Direkt vermarktungInformationenzum Biomarkt171172175Literatur/Adressen168169170Daten und Fakten9. Daten und FaktenFläche und Zahl der Betriebe in den ökologischen Anbauverbändenin Nordrhein-WestfalenBio-Betriebe und -Flächen in Deutschland 2014 nach BundesländenBio-Lebensmittelumsätze in Mrd. EuroAnteil am Lebensmittelmarkt und Pro-Kopf-Ausgaben für Bio-Produktein DeutschlandLandwirtschaftliche Produktionsstruktur in DeutschlandVerkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft 2012 und 2013Handel7. Informationen zum BiomarktAlle wesentlichen Infos im Netz – das NRW-Ökoportal im gungAuf dem WochenmarktStart mit hofeigenen ErzeugnissenFallbeispiel 25: Mit Gemüse, Brot und Käse auf dem ÖkomarktFallbeispiel 26: Bio-Fleisch direkt vom ErzeugerFallbeispiel 27: Jedem ein Stückchen Biohof!ErzeugungEinleitung7

8 VorwortVorwortDer Markt für Ökolebensmittel hat sich in den vergangenen Jahren beachtlich weiterentwickelt. Seitdem Jahr 2000 ist der Umsatz von Bio-Lebensmitteln bundesweit von 2 Mrd. Euro pro Jahr aufnahezu 8 Mrd. Euro pro Jahr angestiegen. Mit aktuell ca. 1,58 Mrd. Euro hat Nordrhein-Westfalendaran einen Anteil von rund 20 Prozent. Mit stabilen Wachstumsraten zwischen 5 und 10 Prozentträgt der Fachhandel wesentlich zu dieser Umsatzentwicklung bei. Aber auch der Lebensmitteleinzelhandel hat sich im Biomarkt als verlässlicher Partner etabliert und hat somit zu einem überdurchschnittlich großen Anteil am Wachstum des Biomarktes beigetragen.Die kontinuierlich steigende Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Bio-Lebensmitteln ist mittlerweile der Hauptmotor für den Biomarkt in Nordrhein-Westfalen. Qualitativ hochwertige Produkte, am besten von heimischen Bauern erzeugt, sind gefragter denn je. Damit einher geht die zunehmende Bereitschaft, für eine gute Produktqualität auch einen entsprechendhöheren Preis zu zahlen.Diese Bedingungen bieten für die Ökolandwirtschaft in NRW große Vermarktungspotenziale. Allerdings hat die Erzeugung von Bio-Lebensmitteln bei der Entwicklung des Biomarktes nicht mithalten können. Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln kann nämlich derzeit weder in Deutschlandnoch speziell in Nordrhein-Westfalen in ausreichendem Umfang mit heimischer Ware befriedigtwerden. Eine Folge davon ist, dass der Anteil an Bio-Importen nach wie vor ansteigt.Mein Ziel ist es, die heimische Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln noch stärker als bisher mit Produkten aus der Region zu decken. Was wir brauchen, ist eine kontinuierliche Ausweitung der ÖkoLandwirtschaft in NRW.

Vorwort 9Ob die sich auftuenden Marktchancen für die nordrhein-westfälischen Bio-Bauern genutzt werdenkönnen, kommt meines Erachtens ganz wesentlich auf die Marktpartner selber an. Die aufnehmende Hand, Verarbeitung und Handel müssen sich mit den Landwirten an einen Tisch setzen.Die Landwirte müssen von ihren Marktpartnern über die Chancen und über die Anforderungender Vermarktungsbedingungen informiert werden. Genauso wichtig ist es, dass die Handelspartner die Zusammenhänge und Grundlagen des Ökolandbaus kennen. Nicht zuletzt ist es natürlichnotwendig, dass den Landwirten angemessene Preise angeboten werden und zwar mit einer verlässlichen Perspektive.Die Erfahrungen aus einem Pilotprojekt in der Region Ostwestfalen-Lippe haben gezeigt, dass essich lohnt, langfristige regionale Vermarktungspartnerschaften aufzubauen – sei es in der Direktvermarktung, mit Marktpartnern des Naturkosthandels, des Lebensmitteleinzelhandels oder mitGroßverbrauchern des Außer-Haus-Marktes.Insbesondere die Außer-Haus-Verpflegung ist ein facettenreiches und aufstrebendes Marktsegment.Immer mehr Menschen essen und trinken außer Haus. Und auch hier legen die Gäste zunehmendWert auf Qualität und Herkunft der Speisen. Insofern bietet diese Entwicklung große Chancen fürden Absatz von Bio-Lebensmitteln.Mittlerweile findet man Bio-Lebensmittel in allen Bereichen des Außer-Haus-Marktes auf demSpeiseplan, angefangen von Schulen und Kindergärten über Betriebskantinen bis hin zu Klinikenund Pflegeheimen. Besonders erfreulich ist, dass immer mehr Kantinen in öffentlicher Trägerschaft konsequent Bio-Produkte anbieten. Aus einem nachhaltigen Verpflegungskonzept sindBio-Lebensmittel nicht mehr wegzudenken.Die Broschüre gibt einen Gesamtüberblick über den überaus vielschichtigen „Biomarkt NRW“.Da der Markt in erster Linie von den Aktivitäten all seiner Beteiligten lebt, enthält die Broschüreeine Vielzahl von konkreten Fallbeispielen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf regionalenAbsatzwegen. Außerdem übermittelt sie Fachinformationen zur Marktentwicklung mit vielen hilfreichen Übersichten. Ich wünsche mir, dass Sie interessante Anregungen aus dieser Broschüregewinnen.Johannes RemmelMinister für Klimaschutz, Umwelt,Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutzdes Landes Nordrhein-Westfalen

10 Einleitung1. EinleitungLangfristig stabiles einstelligesWachstum zu erwartenIn den ersten zehn Jahren der Einführungsphase von Bioim konventionellen Lebensmitteleinzelhandel (LEH)waren die Wachstumsraten, ausgehend von einem rechtgeringen Niveau, beachtlich und lange Zeit zweistellig.Inzwischen – nach einer kurzen Konsolidierungsphase in2009 und 2010 – ist ein solides einstelliges Wachstumder Umsätze auch im LEH zu beobachten. Der Trend zuBio ist ungebrochen. Bio ist in der Mitte der Gesellschaftangekommen und wird inzwischen in fast jeder Einkaufsstätte mehr oder weniger umfangreich angeboten. Dasehemals stark durch die Ausweitung der Distributionsdichte bedingte Wachstum (angebotsinduziert) wird nundurch eine steigende Nachfrage der Verbraucher hervorgerufen. Das ist eine gute und gesunde Entwicklung undbestätigt die Langfristprognose, dass Bio-Lebensmittelan Bedeutung gewinnen und ein stabiler Wachstumstrendauch in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Mittlerweileist es der Naturkostfachhandel, der zwar einstellig, aberstärker wächst als der LEH. Neue Bio-Interessierte, dieüber den LEH Bio erst einmal kennen gelernt haben, wollen mehr Vielfalt und werden so zu Fachhandelskunden.Das Interesse an dem qualitativ hochwertigem Bio-Angebot wächst trotz eines durchaus gerechtfertigten, aberdennoch hohen Preisniveaus. Was erneut beweist, dasseine wachsende Anzahl an Verbrauchern nicht nur auf denPreis, sondern auf das Preis-Leistungs-Verhältnis schautund für gute Qualität auch bereit ist, höhere Preise zuzahlen.

Einleitung 11EinleitungDer deutsche Biomarkt wächst kontinuierlich weiterUmsätze mit Ökolebensmitteln in Mrd. 1200420052006200720112012*20132014Quelle: Prof. Dr. Ulrich Hamm, Universität Kassel, AMI, GfK, Nielsen, bioVista, AgroMilagro research 2013, AMI 2015* ab 2012 neue BerechnungsmethodikFachhandel wächst im Milliardenmarktam schnellstenFrischeprodukte nach wie vor die Renneram MarktUm fast 400 Mio. Euro oder knapp 5 Prozent wuchs derBio-Lebensmittelumsatz in Deutschland in 2014 auf 7,91Mrd. Euro. Insbesondere Drogeriemärkte (DM, Müller,Rossmann), der Naturkostfachhandel wie auch dieVollsortimenter (Edeka, Rewe, Tengelmann) trugen wieschon im Vorjahr überdurchschnittlich zu diesem Wachstum bei. Vor allem auch Preissteigerungen bei Milch- undMolkereiprodukten und Absatzsteigerungen im Trockensortiment verhalfen dem Biomarkt in 2014 zu diesemUmsatzzuwachs.Nach den Preissteigerungen der vergangenen Jahre in denBereichen Obst, Gemüse und Kartoffeln gaben die Preise2014 nach. Bei guten Ernten hatten Obst und Kartoffelndeshalb Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Die Fleisch- undWurstwarenverkäufe lagen unter dem Vorjahresniveau,weil weniger Schweinefleisch zur Verfügung stand. Trotzdem konnten die Gesamtumsätze mit Bio-Fleisch insgesamt gesteigert werden, wobei sowohl das Rinderangebotbegrenzt und auch das Schweineangebot zum Jahresendeknapp waren. Die Milch- und Molkereiprodukte gehörtenzu den Umsatztreibern 2014. Nachdem im November 2013Preissteigerungen für alle Milch- und Molkereiproduktedurchgesetzt werden konnten, lagen die Verbraucherpreisedas gesamte Jahr 2014 stabil deutlich höher als 2013.Auch der Umsatz mit Bio-Eiern 2014 stieg nach demRückgang in 2013 von 5 Prozent wieder um 9 Prozent an.Durch massive Preissenkungen zum Jahresanfang beiBio-Eiern in den Discountern lag dieses Umsatzplusallerdings deutlich unter dem Absatzplus ( 13 Prozent).Mit einem Umsatzzuwachs von 9 Prozent lagen dieNaturkostfachgeschäfte an der Spitze, gefolgt von denVollsortimentern, die mit einem Zuwachs von 6 Prozentden zweiten Platz besetzten, gefolgt von den Drogeriemärkten mit 5 Prozent Umsatzzuwachs.

12 EinleitungWie im vergangenen Jahr war außerdem das Trockensortiment besonders erfolgreich – im Naturkosthandelebenso wie in den Vollsortimentern und Drogeriemärkten.Mit Müsli/Cerealien, Brotaufstrichen, Fetten/Ölen, Konserven und Fleischersatzprodukten konnten Umsatzzuwächse von jeweils über 10 Prozent erzielt werden, wieder BÖLW berichtet.Vegetarische und vegane Lebensmittel standen 2013 und2014 besonders im Fokus. Ihr Umsatz hatte sich im BioFachhandel nach Angaben von BioVista von 2011 bis 2013von 461 Mio. Euro auf 630 Mio. Euro um über 35 Prozenterhöht. Der Naturkosthandel sprach von doppelt sohohen Wachstumsraten wie in dem übrigen Sortiment.Nach dem anfänglichen Boom mussten einige Produktkategorien im ersten Quartal 2015 allerdings Rückschlägehinnehmen. Bei den typisch veganen Kategorien Tofu( 2,6 Prozent), veganem Brotaufstrich und -belag ( 4,6Prozent) sowie veganer Frischconvenience ( 6,6 Prozent)gingen die Umsätze im Naturkostfachhandel zurück.Während Soja-, Reis-, Hafermilch als Milchalternativenweiterhin satte Umsatzsteigerung von 20,4 Prozent proHändler verzeichnen, haben die Fleischersatzkategoriennach monatelangem Vegan-Boom nun erstmals dasstarke Wachstum nicht fortsetzen können. Einige Unternehmen der Branche melden allerdings keine Rückgänge,sondern leichte Zunahmen. Es scheint, dass diesesMarktsegment sich derzeit uneinheitlich entwickelt, dieReifestufe also noch nicht erreicht hat.Bio-Discountstrategie geht an denWünschen der Kunden vorbeiDie ehemals rasant wachsenden Discounter haben ihrenGlanz verloren. Billig-Bio – wie bei Bio-Eiern festzustellenwar – ist langfristig keine sinnvolle Bio-Strategie. DieVerbraucher erkennen zunehmend, dass für hochwertigeBio-Produkte auch faire Preise gezahlt werden müssen,damit die Erzeuger für ihre besonderen Anstrengungenauch entsprechend entlohnt werden.Regionalprodukte sind mehr denn jebegehrtNicht erst seitdem Bio-Eier aus industriellen Massenerzeugungsanlagen nachweislich unzumutbare Haltungsbedingungen für die Tiere zur Folge haben können, greifen immer mehr Verbraucher zu Bio-Produkten, die vonkleineren Familienbetrieben aus der näheren Umgebungerzeugt worden sind. Wenn gewünscht, hat der Kundehier die Chance, sich von den Produktionsverhältnissenein eigenes Bild zu machen. Raus aus der Anonymitätder Lebensmittelerzeugung, eine transparente Darstellung der Herkunft der Lebensmittel und der Erzeugungsweise ist das Erfolgsrezept. Immer mehr kritische undinformierte Verbraucher möchten hinter die Erzeugungskulissen schauen und geben sich nicht mehr mit allgemeinen – nicht nachprüfbaren – Werbeversprechenzufrieden. Das uneingeschränkte Vertrauen in die Versprechen von Industrie, Markenherstellern, Lebensmittelhändlern etc. ist in den letzten Jahren verspielt worden und so gehen die Kunden nun auf eigene Faust aufErkundungsgang.Das wiederum eröffnet aber der transparenten undauthentischen Lebensmittelproduktion, wo auch Kamerateams ohne weiteres hinter den Kulissen filmen dürfen, großartige Chancen. Wer nachweislich sauberproduziert, Tiere artgerecht hält und mit Sorgfalt behandelt und dabei auch soziale Aspekte berücksichtigtund die Umwelt schont, kann für seine besonderenLeistungen auch einen entsprechend hohen und fairenPreis verlangen. Inzwischen wird immer mehr Verbrauchern klar, dass nur solch eine verantwortungsvolleProduktionsweise langfristig nachhaltig und sinnvollsein kann, und dafür ist man bereit, auch einen höherenPreis zu akzeptieren.Akteure im Biomarkt NRW (Ende 2014)n Erzeugung1.798 landwirtschaftliche Betriebe* mit– Dauergrünland39.760 ha– Ackerland19.707 ha– Gemüseanbau (inkl. Zierpflanzen)3.338 ha– Dauerkulturen (inkl. Obstbau,Baumschulflächen)432 han Verarbeitung1.485 Verarbeiter, davon 258 Hofverarbeitern Handel375 Händlern Import176 Importeure* BLE 31.12.2014 (Doppelnennungen möglich)

Wege zum Erfolg im BiomarktErzeugungn ansprechende Hofläden mit vielfältigem Angebotaufbauenn breite Vermarktungsbasis in der Region schaffenn Synergieeffekte durch Kooperationen nutzenn Direktbelieferung von Supermärkten(z. B. Landmarktkonzept) und Großverbrauchernentwickelnn Sortimente kontinuierlich ausbauenn hohe Qualität und ausgefallene Spezialitätenanbietenn innovative Impulse durch neue Züchtungen gebenn Nischen erkennen und besetzenn Transparenz in Erzeugung und Verarbeitungbietenn Vertrauen durch Öffentlichkeitsarbeit schaffenVerarbeitungn konsequent Neukunden akquirierenn verschiedenste Absatzschienen ausbauenund pflegenn zuverlässige Marktpartner findenn Marktpartner kompetent beratenn hochwertige Produktqualitäten bietenNachhaltige Werte vermittelnNach einer Studie der Universität Kassel sind überzeugteBio-Käufer durchaus bereit, für Bio auch tiefer in die Taschezu greifen. Allerdings müssen die Produkte dann entsprechende Mehrwerte glaubwürdig vermitteln. „Sogarbei einem hohen Preisabstand zwischen biologisch undkonventionell erzeugter Milch sind viele Verbraucherbereit, für das Bio-Produkt mehr zu bezahlen“, so dasStudienergebnis. Auch eine Wirtschaftskrise werde nichtsdaran ändern. Obwohl in den vergangenen Jahren dieKaufkraft nicht stieg, boomten Bio-Produkte. Für dieaktuelle Studie wurden 642 Bio-Kunden vor ihrem Einkauf im Naturkostfachhandel und konventionellen LEHbefragt. Im Ergebnis zeigte sich eine hohe Preisunkenntnis. Daher fragt sich die Wissenschaft mittlerweile, obdie viel diskutierte Kaufbarriere eher auf dem früherenHochpreis-Image beruht als auf den tatsächlichen aktuellen Preisen.n Produkte professionell präsentierenn authentische Spezialitäten entwickelnn Komplett-Service für Großküchen oderGastronomie anbietenn zielgruppenorientiert Produkte bewerbenn heimische Herkünfte in VerarbeitungsproduktenausweisenHandeln aktives Marketing betreibenn neue Vertriebskanäle erschließenn Absatzwege zielgruppenorientiert weiterentwickelnn professionelle Warenlogistik aufbauenn zukunftsfähige Ladenkonzepte entwickelnn Biosortimente kontinuierlich erweiternn Komplettangebot für Läden bietenn Mitarbeiter schulen und motivierenn Kunden optimalen Service bietenn Kunden durch interessante Produkte ansprechenn Kunden mit eindeutiger Kommunikation gewinnenn regionale Herkunft kommunizieren und damitSicherheit vermit teln und Vertrauen aufbauenWenn der Verbraucher ein bestimmtes Lebensmittelschätzen gelernt habe, verzichte er nicht so schnell darauf, selbst wenn der Preis steige, lautet ein Fazit der Studie. Für die Gewinnung von Neukunden gelte dies jedochnicht. In dieser Zielgruppe erschwerte ein zu hoher Preisunterschied zum konventionellen Produkt die Entscheidung für Bio. Der Handel steckte daher in einem Dilemma.Die Wissenschaft rät den Produzenten daher, sich überbesondere Qualitäten oder ethische Werte zu differenzieren. Voraussetzung für deren Erfolg seien jedoch starkeund nachhaltige Kommunikationskonzepte.Starke Nachfrage – schwache ProduktionDem Umsatzzuwachs von über 7 Prozent stand auch in2013 nur ein Flächenwachstum von einem Prozentgegenüber. Diese Diskrepanz zwischen Nachfrage- undAngebotswachstum ist schon seit einigen Jahren zu beobachten. Das wachsende Interesse sowohl des Handels wieauch der Verbraucher an Bio-Produkten aus der eigenenRegion führt bislang nicht dazu, dass die Bio-LandwirteEinleitungEinleitung 13

14 Einleitungihre Produktion entsprechend stark ausweiten oder konventionelle Betriebe auf Bio umstellen. Im Gegenteil, esgibt Bio-Betriebe, die Flächen abgeben oder ganz aufhören. Die nachstehende Abbildung zeigt, dass Deutschland im EU-28-Vergleich beim Öko-Flächenanteil nur aufPlatz 14 liegt, aber den weitaus größten Umsatz mit BioLebensmitteln erzielt (siehe Grafik Seite 16).Anteil der Öko-Anbaufläche an der landwirtschaftlichen Fläche in der EU-28 in 2013Liechtenstein31,0 %Österreich19,5 %Schweden16,3 %Estland16,0 %Schweiz12,2 %Tschechische Republik11,2 %Lettland11,0 %Italien10,3 %Finnland9,0 %Slowakei (2011)8,8 %Slowenien8,4 %Portugal (2011)8,1 %Spanien6,5 %Dänemark6,4 %Deutschland6,4 %Litauen5,7 %EU-285,6 %Norwegen4,8 %Belgien4,6 %Griechenland4,6 %Polen4,3 %Frankreich3,9 %Luxemburg3,4 %Vereinigtes Königreich3,3 %Ungarn3,3 %Kroatien3,1 %Mazedonien3,0 %Zypern2,7 %Niederlande510Ein Lösungsansatz liegt in dem forcierten Aufbau regionaler Vermarktungskonzepte. Denn die Erfahrung zeigt,dass es möglich, ist für qualitativ hochwertige Bio-Produkte aus der eigenen Region höhere Preise zu erzielen,wenn die Herkunft transparent und glaubwürdig kommuniziert wird. Mit solchen Konzepten, eingebunden in einelangfristige und vertrauensvolle Partnerschaft mit demHandel, kann für Bio-Erzeuger die Absatzsicherheit gesteigert und das Risiko verringert werden. Unter solchenRahmenbedingungen sind Bio-Erzeuger auch eher bereit,in eine Produktionsausweitung zu investieren, oder konventionelle Betriebe bereit, auf den ökologischen Anbauumzustellen, wie erste Erfolge in einem Bio-Regionalvermarktungsprojekt in Ostwestfalen-Lippe (siehe Seite121) zeigen.Biomarkt-Broschüre gibt HilfestellungenDie Marktausweitung zwingt die Unternehmen zu einerumfassenden Professionalisierung. Bio-Produkte müssengezielt gebündelt, vereinbarte Qualitäten kontinuierlichgeliefert, neue Absatzwege effizient erschlossen undindividuelle Marktstrategien entwickelt werden. Wie diesgelingen kann, zeigen ausgewählte Beispielbetriebe indieser Broschüre in den Marktstufen Erzeugung, Verarbeitung und Handel.Jedes Unternehmen hat seinen eigenen erfolgreichenWeg gefunden, um im Biomarkt zu agieren. Für jedeninteressierten Unternehmer ist es sinnvoll, sich überdie aktuellen Marktchancen gründlich zu informieren.Gemeinsam mit der Beratung der Landwirtschaftskammer und der Öko-Verbände sollten nüchtern die Chancen und Risiken einer Umstellung abgewogen werden.2,6 %0Das liegt zum einen daran, dass die Pachtpreise im Zugeder äußerst profitablen Förderung von Bio-Gasanlagenrasant angestiegen sind, zum anderen aber auch daran,dass die Auszahlungspreise für Bio-Erzeugnisse oftmalsdie großen Anstrengungen, um ökologisch, sozial, tiergerecht und umweltschonend zu wirtschaften, nicht ausreichend honorieren. Langfristig kann eine rentableBio-Erzeugung nur dann gewährleistet werden, wenn diehohen Anforderungen an die Produktion auch entsprechend honoriert werden.15202530Quelle: Ökologischer Landbau in Europa 2015, FiBL, Schweiz35

Welche Trends kann man aktuell in der Bio-Branche ausmachen?1. Die umfassende Professionalisierung derBranche2. Die stark zunehmende Differenzierung bei denProdukten, bei den Absatzwegen, bei denMarktstrategien3. Infolge der stark wachsenden Nachfrage nachregionalen Bio-Produkten die Verknappunginländischer Bio-Erzeugnisse4. Die Bildung von stärkeren Einkaufs- und Vertriebsgemeinschaften; die Kooperationsbereitschaft nimmt zu.5. Ein langfristig stabiler Wachstumstrend und dieBereitschaft der Verbraucher, bei voller Transparenz auch höhere Preise zu akzeptierenTrends im Einzelnenn Die Preissituation ist teilweise gekennzeichnetdurch Druck auf die Endverkaufspreise und demzufolge auch auf die Erzeugerpreise vor allem imDiscount. Gleichzeitig steigen die Kosten kontinuierlich auf allen Ebenen, so dass der Zwang zuKosteneinsparungen durch größere Strukturen/Einheiten zunimmt.n Langfristig ist aufgrund der weltweiten Lebensmittelverknappung von steigenden Preisen aufErzeuger- und Verbraucherebene auszugehen.n Die Ansprüche der Marktpartner an die Qualitätder Produkte steigt zwar ständig, gleichzeitig werden wegen der zunehmenden Globalisierung undder zukünftigen Ausweitung des Gentechnikanbaus Qualitätseinbußen befürchtet. Monokulturanbau, Resistenzentwicklungen und Einkreuzungin das Öko-Saatgut sind nicht auszuschließen.n Die Sortimentsbreite weitet sich ständig aus;Wellness-Produkte, Convenience-Produkte nehmen zu, und der „Vollwertgedanke“ tritt weiter inden Hintergrund. Vegetarische und vegane Produkte gewinnen an Bedeutung, während gleichzeitig der Bio-Fleischkonsum rückläufig tendiert.n Auch die Ansprüche an den Service nehmen zu.Beispiele sind hier die Differenzierung der Absatzwege und der deutliche Trend zur Außer-HausVerpflegung.n Die Zahl der kleineren Bioläden nimmt ab, die Durchschnittsgröße der Läden nimmt zu. Besonders dieZahl der Bio-Supermärkte hat sich in den letztenJahren deutlich erhöht. Das Angebot von Ökolebensmitteln hat sich auf fast alle Einkaufsstätten ausgeweitet. Allerdings wird die Sortimentsbreite bei den Discountern reduziert und dasStandardsortiment durch Sonderaktionen ergänzt.n Traditionelle Partnerschaften und Geschäftsstrukturen brechen auf. Es bilden sich verschiedeneEinkaufs- und Vertriebsgemeinschaften mit demZiel, sich von den engsten Wettbewerbern abzusetzen und die erreichte Marktmacht zu potenzieren.n Das Informationsbedürfnis der Verbraucherinnenund Verbraucher steigt (Stichworte Gentechnik,Skandale, artgerechte Tierhaltung). Andererseitssieht die Bio-Branche die Notwendigkeit, Verbraucherinnen und Verbraucher verstärkt über Ökolebensmitteln, ihre Erzeugung und Verarbeitungaufzuklären. Nicht zuletzt wird bei Kindern (vorallem aus dem städtischen Umfeld) völlige Unkenntnis landwirtschaftlicher Zusammenhängefestgestellt.n Der Trend hin zu bewussterem Konsum, insbesondere für regional erzeugte Lebensmittel, verstärkt sich kontinuierlich. Solidarität mit denErzeugern, Klimaschutz, Ressourcenschonung,Nachhaltigkeit sind Grundsätze des Wirtschaftens, die immer mehr mit Leben gefüllt werden.n Mit dem Erreichen einer hohen Distributionsdichte für Bio-Lebensmittel stabilisiert sich dasUmsatzwachstum im mittleren einstelligenBereich. Es kommen kaum noch neue Verkaufsflächen hinzu; diese hatten lange den Boomgenährt. Innovative Produkte und ein wachsendesInteresse an Bio-Lebensmitteln sichern ein stabiles Wachstum in den nächsten Jahren.n Konventionelle Markenartikler ohne authentischeBio-Konzepte haben sich aus dem Markt zum Teilzurückgezogen.EinleitungEinleitung 15

16 EinleitungÖko-Umsatz im Einzelhandel in Europa in 2013 (Angabe in Mio. Euro)DeutschlandFrankreichVereinigtes KönigreichItalienSchweizÖsterreich (2011)SchwedenSpanien olen (2011)*Kroatien (2012)Irland (2011)LuxemburgRumänien (2011)*TschechienGriechenland (2010)SlowenienSerbien (2010)Ungarn (2009)EstlandPortugal (2010)Bulgarien (2010)Litauen (2011)Liechtenstein (2012)Slowakei (2010)Lettland (2011)Zypern (2006)Bosnien undHerzegowina (2010)01.0002.0003.0004.000* keine aktuelle Zahl vorhanden5.0006.0007.0008.000Quelle: FiBL, AMI, OrganicDataNetwork 2015ZielgruppenDie Broschüre richtet sich in erster Linie an Fachleute ausden Marktstufen Erzeugung, Verarbeitung und Handel.1. Einsteigern in das Bio-Segment will die vorliegendeBroschüre mit Marktüberblicken, Prognosen derMarktbeteiligten und Fallbeispielen eine Entscheidungshilfe geben:n In welchen Bereichen lohnt sich eine Umstellung?n Welche Produkte werden am Markt gebraucht?n Wie sieht die Wettbewerbssituation in denSegmenten aus?n Über welche Vertriebsschienen werden Bio-Produkteverkauft?2. Profis will die Broschüre einen Überblick verschaffenund Anregungen geben.Ökologischer Landbau in Deutschland 2014Zahl der BetriebeAnteil in %Erzeugerbetriebe EU-Bio*10.97846,9328.17531,3Erzeugerbetriebe Verbands-Bio12.42053,1719.45868,7Erzeugerbetriebe Bio gesamt23.3981001.047.633100Anteil an Landwirtschaft gesamt (%)8,3Quellen: BÖLW 2015, Statistisches Bundesamt 2015, BLE 2014Fläche in haAnteil in %6,3* geschätzt nach BÖLW-Erhebungen

ErzeugungErzeugung 172. ErzeugungHeimische Erzeugung nutzt wachsendeMarktpotenziale nichtIn den neunziger Jahren entwickelte sich der ökologische Landbau in NRW mit kontinuierlichen Zuwachsraten von rund 10 Prozent. Durch eine entsprechende Förderung und positive Marktentwicklung beschleunigtesich dieser Wachstumsprozess ab dem Jahr 2000 miteiner Steigerungsrate von 20 Prozent. Im Boomjahr2001 wuchs die ökologisch bewirtschaftete Fläche zudem explosionsartig um knapp 60 Prozent. Seit demJahr 2003 liegen die Wachstumsraten im einstelligenBereich und lagen in den letzten Jahren im niedrigeneinstelligen Bereich. Abgesehen von der kurzen Konsolidierungsphase in 2009 und 2010 übertrifft das N

Fallbeispiel 28: Individuell, flexibel und nun auch mobil bestellen 154 Weiteres Beispiel der Direktvermarktung: CSA 156 7. I nformationen zum Biomarkt Alle wesentlichen Infos im Netz – das NRW-Ökoportal im Internet 158 8. Literatur/Adressen Literaturempfehlungen und Literaturnachweise 160 Zeitschriften zum ökologischen Landbau 161