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Die Ware und ihre Bedeutung für Mensch, Wirtschaft und NaturThe Commodity and its Significance for Man, Economy and NatureLes produits et leur importance pour l‘homme, l‘économie et la natureTagungsbericht: 19. IGWT-SymposionHERAUSGEBER:DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜRWARENKUNDE UND TECHNOLOGIE(DGWT)ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜRWARENWISSENSCHAFTEN UND TECHNOLOGIE(ÖGWT)Unter Mitwirkung derINTERNATIONALEN GESELLSCHAFT FÜR WARENWISSENSCHAFTEN UND TECHNOLOGIE (IGWT)FORUM WARE 43 (2015)HEFT 3-4/2015ISSN: 2365-404X

Eröffnung des IGWT SymposionsFORUM WAREInternationale Zeitschrift für WarenlehreHeft 3-4/2015Teilnehmer aus D und ÖGroßartiger „Welcome Cocktail“ an der Wirtschaftsuniversität KrakauHERAUSGEBER:Exkursion zumSalzbergwerk „Wieliczka“Stadtrundfahrt bei NachtDeutsche Gesellschaft für Warenkunde und Technologie e. V. (DGWT), KarlsruheDinner im Salzbergwerk „Wielicka“Österreichische Gesellschaft für Warenwissenschaften und Technologie (ÖGWT), Wienunter Mitwirkung derInternationalen Gesellschaft für Warenwissenschaften und Technologie (IGWT), WienFORUM WARE 43 (2015)HEFT 3-4/2015ISSN: 2365-404X

Hinweise an unsere Leserinnen und Leser:INHALT / CONTENTIIIINHALTSVERZEICHNISWarenlehre, 43. Jg. (2015), Heft 3 – 4; ISSN 2365-404XEin Teil der Mitglieder von DGWT und ÖGWT ist inHerausgeber: Unterricht und Ausbildung tätig. Deshalb besteht einhohes Interesse auch an Beiträgen zu Themen undBericht zum IGWT-Symposion 2014 in Krakau 1Technologie e. V. (DGWT), KarlsruheLernfeldern wie “Warenverkaufskunde – WarenlehreSusanne GruberÖsterreichische Gesellschaft für Warenwissenschaften–und Technologie (ÖGWT), WienTextiltechnologie – Verbrauchererziehung – Waren-,unter Mitwirkung der Internationalen GesellschaftVerkaufs- und Konsumethik” u. ä. sowie auch anDas Technik-FossilZur strukturellen Prägung der Technik im Kapitalismus - und wie man aus ihr herauskommt 3für Warenwissenschaften und Technologie (IGWT),Lehrskizzen/Unterrichtsentwürfen zu diesen Themen.Wolfgang NeefUm mit den Beiträgen in FORUM WARE einIndustrial Ecology - Benachbartes Forschungs- und Handlungsfeld mit Anschlussfähigkeitfür die Warenlehre? ng Vol. 43 (2015) Heft 3 - 4:adressatengerechtes Dr. Reinhard Löbbert, Frühlingstr. 36, D-45133 Essen,wiederholen wir die Bitte, der Redaktion auch solcheE-mail: [email protected];Beiträge zur Verfügung zu stellen, die für den Einsatz inDr. Eva Waginger, Institute for Multilevel GovernanceUnterricht und Ausbildung geeignet sind. nzukönnen,Wien;Eberhard Seidel und Eberhard K. SeifertFORUM WARE ist eine Mitgliederzeitschrift und wirdals Internetpublikation veröffentlicht: Dort finden sichKann Erziehung in Schule und Familie das Umwelt- und Konsum-Verhalten beeinflussen?Eine Antwort auf die Enzyklika „LAUDATO SI“ 35auch die Dateien früherer Jahrgänge.Volker TeichertHinweise für Autoren: Alle Leser und Mitglieder habenFulda 2015 – Bericht über das Treffen der Senioren und der Freunde und Förderer der DGWT 43bei uns jederzeit die Möglichkeit zur redaktionellenReimer Schmidtpottab Ausgabe 41/2013 unter www.dgwt.de/forum-wareWebgasse27/15,A-1060 Wien; E-mail: [email protected]: 31. August 2016Ralf Isenmann„BIOKRATIE“ – Weiterentwicklung politischer Willensbildung 29Wien,E-mail: [email protected]; AngebotHerstellung: Dr. Susanne Gruber, Katharina KrugerMitarbeit. Falls Sie nicht sicher sind, ob Ihr BeitragForschungsverein für Warenlehre, A-2120 Obersdorf,für FORUM WARE geeignet ist, können Sie gern [email protected] der Schriftleitung in Anspruch nehmen.NachrufProf. Dr. hab. Jacek Koziol und Prof. Dr. hab. Anna Koziol 46Laudation for Prof Jacek Koziol 48Zahlungen an: DGWT e. V., Sparda-Bank West eG, IBAN:Bitte versehen Sie Beiträge für die Zeitschrift FORUMProf. Dr. Bożena Tyrakowska:DE08 3606 0591 0000 6305 35; BIC: GENODE1SPEWARE, deutsche Ausgabe, mit einer englischen undCopyright: Alle nicht mit Copyright-Zeichen versehenenDie Beiträge sollen 8 Seiten nicht überschreiten; AnnahmeGratulationo. Univ.-Prof. em. Dr. Josef Hölzl – ein Kurzportrait anläßlich seines 90. Geburtstages 51Artikel können gebührenfrei nachgedruckt werden,und/oder Kürzung bleiben vorbehalten. Bitte gestalten SieEva Wagingersofern als Quelle “FORUM WARE” angegeben wird unddie Beiträge gemäß den Formvorschriften, die bei derder Schriftleitung zwei Belegexemplare gesandt werden.Schriftleitung angefordert werden können, und sendenNamentlich gezeichnete Beiträge geben die Meinung desSie diese als word- oder rtf-Dokumente per E-mail an dieVerfassers, nicht der Gesellschaften, wieder.Schriftleitung.Bilder: Die Schriftleitung dankt Teilnehmern anGebenverschiedenen Veranstaltungen für die kostenfreienVerfassersDruckrechte an den Fotos.berufliche Funktion bzw. Institution an.deutschen Kurzfassung und einem Literaturverzeichnis.FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - sseundMitteilungen und Lesehinweise 54Wiederverwendungs- und Reparaturnetzwerke 54Das „Reinheitsgebot“: Die reine Wahrheit – Mythen rund um das Reinheitsgebot 54Ingenieure für die Zukunft 54IGWT-Webseite 54In eigener Sache 55FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4

IVCONTENT / INHALTTAGUNGSDOKUMENTATION / CONFERENCE DOCUMENTARY1BERICHT ZUM IGWT-SYMPOSION 2014 IN KRAKAUSusanne GruberIn Krakau, Polen, fand vom 15. - 19. September 2014Eine der Exkursionen führten zur Wieliczka Salt Mine,das mittlerweile 19. IGWT Symposion zum Themaeinem beeindruckend schönen Bergwerksbetrieb, in dem„Commodity Science in Research and Practice -auch zum Dinner geladen wurde.Current Achievemments and Future Challenges“statt. Es wurde von der Polnischen Gesellschaft fürBesichtigungen von Betrieben führten die TeilnehmerWarenkunde organisiert 509 Teilnehmer kamen aus 14zu den Autowerken Fiat Auto Poland bzw. zur BrauereiMitgliedsländern aus Europa bis nach China und Korea.Kompania Piwowarska Brewery. Die sehr lange Busfahrtzu den Zielen der Industrial Tour wurden im AnschlussDie polnische Gesellschaft organisierte eine großartigedurch ein traditionelles polnisches Fest ausgeglichen.Veranstaltung in den Räumlichkeiten der CracowIn entspanntem Rahmen konnte die sehr gute polnischeUniversity of Economics. Schon der „Welcome - Cocktail“Küche bei guter Musikuntermalung genossen werden.beeindruckte die Teilnehmer mit einem großen Buffet imFestsaal der Universität. Der erste Abend wurde mit einerDie äußerst interessanten Ausgrabungen am Hauptplatzinteressanten Nachtrundfahrt zu den Sehenswürdigkeitenvon Krakau, dem Rynek Underground (Main Squareder Stadt beendet. Die Eröffnungszeremonie unter derUnderground) wurden den Teilnehmern in einer FührungPatronanz des Bürgermeisters der Stadt Krakau Jacekpräsentiert. Die Sanierungen der Markthalle führtenMajchrowski fand im Festsaal des „Wielkopolskichzu interessanten Spuren des Marktlebens (Münzen,Palace“ statt, einem beeindruckend schönen Saal, inZollzeichen, Punzierungen, etc.), des Handels und Alltagsdem auch die Plenary sessions des wissenschaftlichenim früheren Krakau. Den Abschluß bildete ein GalaProgramms am ersten Tag abgehalten wurden.Dinner im Restaurant am Main Square.Das weitere wissenschaftliche Programm fand inIn der IGWT Generalversammlung wurde, wie alle 2modernen Hörsälen der Wirtschaftsuniversität KrakauJahre erforderlich, das Präsidium neu gewählt, dem nunstatt. Das Programm war so organisiert, dass, nachals Präsident Rektor Prof. Dr. Chochol Andrzej vorsteht.intensiven Vortrags- oder Postersessions am Vormittag,Für das nächste Symposion wurde die bulgarischeExkursionen zu Betrieben oder Sehenswürdigkeiten amWarenkundegesellschaft mit dem VeranstaltungsortNachmittag oder Abend das Programm abrundeten.Varna beauftragt.Das wissenschaftliche Programm umfasste SchwerpunkteEin Dank an das Organisationsteam dieser großartigenzu Commodity Science and Globalisation, Quality andVeranstaltung!Sustainable Development, Consumer Protection undFood and Non Food Innovations. Neue Entwicklungen zuCommodity Science 2.0, einer interessanten Entwicklungauf europäischer Ebene, wurde von PAN, der PolishAutorin:Academy of Science verfolgt. Zu dieser Session erschieneine eigene Publikation im Anschluß an das Symposion.FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4Dr. Susanne Gruber, [email protected] WARE 43 (2015) NR. 3 - 4

2WARE - WIRTSCHAFT - NATUR3TECHNIK/TECHNOLOGYDAS TECHNIK-FOSSILZUR STRUKTURELLEN PRÄGUNG DER TECHNIK IM KAPITALISMUS - UNDWIE MAN AUS IHR HERAUSKOMMTWolfgang NeefIhr mögt mit der Zeit alles entdecken, was es zu entdecken gibt, und euer Fortschritt wird doch nur ein Fortschreitenvon der Menschheit weg sein. Die Kluft zwischen euch und ihr kann eines Tages so groß werden, dass euer Jubelschreiüber irgendeine neue Errungenschaft von einem universalen Entsetzensschrei beantwortet werden könnte.Bert Brecht, »Leben des Galilei«1. Die industrielle Mega-Maschine dteileseinerLeben“, titelte der SPIEGEL vom 27.2.2016. Wenntechnischen Systeme einsetzen und kontrollieren zuman von der Windschutzscheiben-Perspektive deskönnen 3.für die Formulierung verantwortlichen Journalistenabsieht – vermutlich spielt sich sein Leben großenteilsAnfang der 1970er Jahre dämmerte der Wissenschaft,im und ums Auto ab -, spiegelt dieser Satz „unsere“dass die Entwicklung der Technik bzw. des damitAuffassung von Technik gut wider: Sie ist das Subjekt,verbundenen„wir“ (Menschen) sind das Objekt, das verändertverbrauchs und der Müllproduktion unter dem Zwangwird. Wahlweise kann man auch die Digitalisierung,ständigen Wachstums auch zu einem Kollaps derdie Gentechnik, die „Industrie 4.0“ etc. nehmen:natürlichenAlle sind sie scheinbar selbständig und naturwüchsigLebens führen könnte: Die Studie „Die Grenzen deswirkende Mächte. Doch hinter jeder Technik stecktWachstums“ des Club of Rome4 warnte vor einem Kippenein soziales Konzept. So soll die „Künstlichedieser Bedingungen um die Jahre nach 2020. DieserIntelligenz“ den Menschen die Entscheidungen inPrognose wurde zwar bald widersprochen – inzwischeneiner immer komplexer werdenden Welt abnehmen.haben australische Wissenschaftler sie aber nachge-rechnetWie weit das inzwischen gediehen ist, erfahren wirund mit den neuesten Daten überraschend präzise ngenRessourcen-menschlichentäglich als „Datenfilets im Warensortiment hybriderKonzerne mit politischen Zielen“1. Der Mensch wirdzum „antiquierten“ Mangelwesen, 2das z. B. der USIngenieur Robert Boguslaw auf die Ebene von „Material“ bringen möchte, „wie Teile aus Metall,1 Kai Schlieter: Willkommen bei Huxley. Taz vom 11.3.2016, S. 12.2 Anders, Günter (1956): Die Antiquiertheit des Menschen,München.FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 43 Robert Boguslaw (1965): The New Utopians. A Study of SystemsDesign and Social Change. Englewood Cliffs/New Jersey:(Prentice Hall),. Zitiert nach Mike Cooley (1982): Produkte fürdas Leben statt Waffen für den Tod. Reinbek: rororo.4 Dennis Meadows (1972): Die Grenzen des Wachstums – Berichtdes Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart: DeutscheVerlags-Anstalt.5 G. Turner und C. Alexander: Limits to Growth was right. Newresearch shows that we’re nearing collapse. The Guardian, 2.Sept. 2014.FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4

4WARE - WIRTSCHAFT - NATUR5TECHNIK/TECHNOLOGYDas Thema der Naturzerstörung war damit in der Welt undsieht die vollmundig angekündigte »Dematerialisierung«diese Großtechnologien ersetzt wurde. Nicht-Autofahrerdurch „digitale Selbstoptimierung“13 abgelöst. Diewurde durch vielfältige wissenschaftliche Studien immerdurch IT aus. Der Elektronikschrott landet zu 2/3sind auf Mitfahrgelegenheiten angewiesen, aber auchMenschen „gehen nicht mehr davon aus, dass ihr Lebendetaillierter beschrieben6.illegal in Afrika oder China und wird dort auf derdie Eigenversorgung durch Anbau von Nahrungsmittelnan sich in Ordnung sei,.sie betrachten es als defizitärSuche nach Wertstoffen von um ihre frühere Existenzinderund nutzen die Monitoring-Programme als Prothesen,Bereits Marx erkannte die damit verbundene Problematikgebrachten Menschen durch Verbrennen, ZerschlagenEnergiepflanzen- und Massentierhaltungs-Boom dasum den gemessenen und protokollierten Defizitender ständigen Steigerung der Produktivkräfte durch eineetc. »entsorgt«. Die Müllkippen in diesen Ländern sindLand fast unbezahlbar verteuert – die Menschen könnenbeizukommen.Strukturell gleicht dieses unablässigeTechnik, die die „Alleinherrschaft des Fabrik-Regimes“inzwischen Basis eines neuen »Geschäftsfeldes« fürnur noch kaufen.Auffüllen des defizitären Lebens dem materiellenimmer wieder sicherstellt: „Die kapitalistische Produktionfinanziell clevere Afrikaner. Während so also das Landentwickelt daher nur die Technik und Kombination desunbrauchbar gemacht wird für alle anderen Zwecke, feiertAuch im Alltag derer, die mit der Technik mithaltender Hyperkonsum, sind erfolgreiche Mittel, um Unglückgesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zu-der Kapitalismus auf dem Müll eine makabre Party deskönnen, sorgt die Entwicklung - meist kaum wahr-zu erzeugen“.14 Der „Homo Oeconomicus“, der imgleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die»freien Unternehmertums«.genommen - dafür, dass Menschen sich von ihrHamsterrad von „Mehr Arbeiten – Mehr Konsumieren“abhängig machen, ihre Selbstbestimmung verlieren,immer schneller strampelt und, auf diese Weise permanentDie Verlagerung der Textil- und Lederindustrie in Länderaber auch ihre Fähigkeiten, das Leben ohne Technikbedürftig gemacht, niemals ein „Genug“ kennt, sollwie Bangladesh zeigt durch die dort herrschendenzu meistern. Nicolas Carr beschreibt in seinem Aufsatzso von einer wirklichkeitsfremden Konstruktion neo-menschenverachtenden Arbeits- und Lebensbedingungen»Die Herrschaft der Maschinen«,10 wie Piloten durch dieliberaler Ideologen zu einer gesellschaftlichen RealitätamderAutomatisierung ihre Fähigkeit verlieren, in kritischenwerden.Die Kombination von Naturzerstörung und sozialerFertigungstechniken. Es werden ChromverbindungenSituationen richtig zu reagieren, und die Inuit durchKontrolle wird heute überall auf dem Globus drastischbenutzt, die die ArbeiterInnen massiv schädigen, die inGPS-Systemeund„Ich fürchte den Tag, an dem die Technologie diesichtbar. So führt der IT-Wahn dazu, dass ständig neueder giftigen Brühe waten. Auch in den EndproduktenEis verlernen. Das »intelligente« Haus, in dem derwichtigsten Elemente menschlicher VerhaltensweisenGeräte in den Markt gedrückt werden, das Aufkommenfindet sich immer häufiger das aggressive »Chrom 6«. DieKühlschrank selbständig Nachschub bestellt, das »Internetstrukturiert. Die Welt wird nur noch aus einer Generationan IT-Geräten (meist reines Spielzeug) wächst mitFabriken, in denen die TextilarbeiterInnen mehr als zwölfder Dinge« oder »Industrie 4.0« sind ein groß angelegtesvon Idioten bestehen“, sagte Albert Einstein. Es ist aberzweistelligen jährlichen Raten. Durch „geplante Ob-Stunden am Tag schuften, werden zu Todesfallen, wennEntmündigungsprogramm Manfred Spitzer spricht vonnicht die Technologie, und es sind keine Idioten – es istsoleszenz“8 wird es zusätzlich weiter gesteigert. Dersie zusammenbrechen oder brennen. Die Ingenieure, die„digitaler Demenz“.11das soziale Konzept der Apologeten der „Digitalisierung“,Verbrauch an Energie, Wasser, »seltenen« Erden etc. fürsolche Fabriken bauen, wissen ebenso wie die Ingenieure,die Herstellung dieser Geräte und der Energieverbrauchdie die Vergasungs- und Verbrennungsanlagen derHarald Welzer geht noch einen Schritt weiter: ErProfitmaximierung durch ständige Beschleunigung desdes Internet (Server) steigen ebenso rapide; letzterer istKonzentrationslager bauten, was sie tun: Sie sparenzeigt in seinem Buch „Die smarte Diktatur“12, wieUmsatzes und des Vebrauchs von Waren, das Mittelinzwischen höher als der des gesamten FlugverkehrsKosten und erhöhen die Rendite, als „erfinderischeMenschen sich zunehmend von Daten aus Geräten bzw.dazu die Zerstörung der Demokratie, der individuellenweltweit. Der »ökologische Rucksack« eines SmartphoneZwerge, die für alles gemietet werden können“ (Brecht,„sozialen“ Medien und damit von den hinter ihnenSelbstbestimmung und der natürlichen Lebensgrund-beträgt pro Kilogramm rund 490 kg Naturverbrauch – soGalilei).stehenden Konzernen steuern lassen. Mehr noch: Derlagen. Peter Thiel, Mitbegründer von PayPal, Propa-Aufbau eines persönlichen Profils, des individuellengandist grenzenloser Freiheit zum Profitmachen durchAber auch harmlos und praktisch daher kommendeCharakters eines Menschen, in analogen Zeiten nochGoogle u.Co., drückt das so aus: Das Schicksal unsererEntwicklungen erweisen sich bei genauerem Hinsehendurch Sozialisation in Familie, Schule, Universität,Welt hängt vielleicht in den Händen eines einzelnenals hoch problematisch. Im öffentlichen Nahverkehr dergesellschaftlichen Organisationen etc. vollzogen, wirdMenschen, der den Mechanismus der Freiheit erschafftErde und den Arbeiter.“72. Naturzerstörung und soziale Verwüstung96 Am eindrücklichsten sind die Diagnosen des WWF im zweijährlichen »Living Planet Report«. Mit Bezug auf die KlimaKatastrophe besonders eindrucksvoll zusammenfassendNaomi Klein (2015): Die EntscheidungKapitalismus vs. Klima.Frankfurt/M.: S. Fischer.deutlichstendenaggressivenCharakterlichen Distributeure von Fahrkarten und Auskünften8 Stefan Schridde (2014): Murks? Nein danke. Oekom-VerlagMünchen.Automaten nicht bedienen können oder wollen, praktischFORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4Gegendenstirbtaus,weilKonsum.Beide Verfahren, die Selbstoptimierung wieihreOrientierunginSchneedas hinter der Technik wirkt und sie prägt. Ziel istoder verbreitet, den wir brauchen, um die Welt zu einemIndustrieländer haben längst Automaten die mensch-7 Karl Max (1967), Das Kapital, Dietz-Verlag, (Ost-)Berlin, S.529/530.9 Ein Begriff, den Friedrich Schmidt-Bleek und das WuppertalInstitut prägten. Die Zahl stammt aus Friedrich Schmidt-Bleek(2014): Grüne Lügen Nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft- wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten, München:Ludwig Buchverlag.entlegenerenersetzt – mit der Folge, dass diejenigen, die dieseausgeschlossen werden. Auf dem Land gibt es inzwischenkaum noch Möglichkeiten, sich zu versorgen, wenn mannicht mit dem Auto zu den Einkaufszentren fahren kann,weil fast die gesamte dezentrale Infrastruktur durch10 Nicolas Carr: Die Herrschaft der Maschinen. Blätter für deutscheund internationale Politik 2-2014, S. 45 ff.11 Manfred Spitzer (2012): Digitale Demenz – Wie wir uns undunsere Kinder um den Verstand bringen. München: Droemer.12 Harald Welzer (2016): Die smarte Diktatur. Der Angriff aufunsere Freiheit, Frankfurt.13 Stefan Selke (2014): Livelogging. Wie die digitaleSelbstvermessung unsere Gesellschaft verändert. Berlin, zitiertnach Welzer.14 Welzer 2016, S. 122.FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4

6WARE - WIRTSCHAFT - NATUR7TECHNIK/TECHNOLOGYsicheren Ort für den Kapitalismus zu machen“15 Das isteinsetzen. Das Ziel: Die ständig weiter fortschreitendeScheidler und Jean Ziegler21 haben diesen Gewaltprozesseine „Moral der Widernatürlichkeit“: Die Übernahmedann „eine Welt der totalen wechselseitigen Kontrolle, inEntwicklung der Produktivkräfte soll die MenscheneindrücklichIdeeder Kontrolle durch das „Management der Biosphäre“,der. jeder die Gestapo des anderen ist“16. Als kleinesemanzipieren, sie aus dem „Reich der Notwendigkeit“ inszur Lösung dieses Problems, das als notwendigeder „künftigen Natur unter Menschenhand“.25 DieDankeschön kann der digitalisierte Mensch dann seine„Reich der Freiheit“ bringen, wo sie ihren BedürfnissenÜbergangsphase begriffen wurde, war die Befreiung„Bioökonomie“ soll, nachdem die Endlichkeit desprivatesten Daten aus seinem „Smarten Haus“ undnachgehen können, weil technische Mittel die Natur unterder Produktivkräfte (also der Arbeiter und der Technik)Planeten nicht mehr bestritten werden kann, die Rettungder Apple-Uhr mit freundlicher Hilfe dieser Daten-Kontrolle gebracht haben.von den sie immer mehr einengenden kapitalistischenbringen: Die „wissensbasierte Erzeugung und NutzungProduktionsverhältnissen. Dahinter steckt die Hypothese,nachwachsender Ressourcen“ und damit die „umfassendeNeugestaltung dis Wirtschaftssystems“26.kraken noch selbst zur Ware machen und verhökern,dokumentiert.Diemarxistische17um auch „das Privatleben in Vermögenswerte“Durch den rasant voranschreitenden „Fortschritt“,dass „die Produktivkräfte, die durch den Kapitalismusumzuwandeln, wenn er seine Miete nicht mehrinsbesondere die Entwicklung der Technik auf der Basisentwickelt werden, genau die Produktivkräfte wären, die„freischaffendenfossiler Energiequellen und damit auch der »modernen«,eine kommunistische Gesellschaft als materialle BasisNach dem Technik-Philosophen Günter Ropohl wal-Datenmakler“ und steigt dann auch mit seinen übrigenauf Wissenschaft und Technik basierenden Zivilisation,braucht“.22tet hier eine „Metaphysik“ bzw. eine „Ideologie derBesitztümern in eine „Sharing Economy“ ein, die vonschien dieser Weg auch zum Ziel zu führen. InAirbnb, Uber u. Co. gelenkt und zu Rendite verwandeltungeahntem Tempo haben sich die LebensbedingungenDer Versuch, ohne eine „Kritik der Produktivkräfte“der Technik mit ihren Widersprüchlichkeiten undwird.18der Menschen in den »Industrienationen« im 18., 19. und(Otto Ullrich) nur durch Änderung der Produktions-Unzulänglichkeiten abstrahiert, sie zu einer „Realisation20. Jahrhundert verändert und bezüglich der Befriedigungverhältnisse eine neue Epoche einzuläuten, ist aber imidealer Wesenseinheiten“ macht und letztlich zurückgehtder Grundbedürfnisse zunächst auch verbessert. Die„Realen Sozialismus“ sichtbar schiefgegangen. Nachauf die hypertrophe Vorstellung, der Mensch habe nunÜberzeugung, es habe sich Bacons Hypothese bestätigt,seinem Ende wurde die kapitalistische »Globalisierung«den und damit dessen Rolle übernommen. Man kanndass technischer Fortschritt automatisch zu sozialemdes Weges der Industrienationen und ihre neoliberalees auch anders ausdrücken: Nach den nicht eingelöstenWir Ingenieure hatten uns das ja eigentlich andersund kulturellem Fortschritt werde, wurde deshalbRadikalisierung »alternativlos«: Immer mehr TechnikTechnik-Heilsversprechen des 20. Jahrhunderts (vomgedacht, wie z.B Otto Lilienthal, der sein Flugzeugunabhängig von der politischen Richtung Konsens.auf allen Gebieten menschlicher Betätigung, immerunsinkbaren Schiff bis zur unendlich verfügbaren Ener-mehr Wachstum, Markt, Freihandel unter dem Primatgie durch Atomspaltung) werden im 21. wieder jede Mengebezahlenkann.Erwirdzum3. Muster der Technikentwicklungfür einen Friedensbringer hielt : Mit vonderRealitätfundierten Methoden wollen wir technische InstrumenteIn den realen, kapitalistischen Produktionsverhältnissender Rendite bzw. der Vermehrung von Geld. Die un-ungedeckte Schecks ausgestellt, die das Weitermachenzur Verbesserung der Lebensverhältnisse entwickeln,wurde dieser „Fortschritt“ aber erkauft mit unendlich vielübersehbar wachsenden sozialen und ökologischenim kapitalistischen Modus des – nunmehr „grünen“die wir als Werkzeuge gemäß unseren BedürfnissenGewalt, Leid, Armut und Entfremdung. Die militärischenProbleme sollen nun dadurch gelöst werden, dass man-Wachstumswahns legitimieren sollen, und zwar durchund »zivilen« Raubzüge zur Gewinnung von RohstoffenErnst macht mit der realen Beherrschung der Natur. Dievollmundige Ankündigungen von immer neuen Rettungs-auf der ganzen Welt führ(t)en zur Ausbeutung undtechnische Entwicklung soll durch eine „Grüne Revolution“Technologien, die vielleicht im Labor funktioniert haben,Zerstörung ganzer Gesellschaften und Regionen undbzw. einen „New Green Deal“ noch beschleunigt werden,aber im großflächigen Einsatz kläglich scheitern28.zur Versklavung ihrer Bevölkerungen; im Inneren derso dass man ganz ohne Systemwechsel die sozial-Industrienationen wurden (und werden nach wie vor) dieökologische Wende zu Stande bringt. Diese RezepteMenschen an das Modell des entfremdeten Arbeitens undvertreten z. B. Hubert Markl23 oder Ralf Fücks24, aber auchim weiteren Verlauf an das entfremdete Konsumierenviele Klima- und Umweltwissenschaftler. Markl fordertangepasst. Dieser Prozess war schon im Übergangangesichts der sich abzeichnenden Naturzerstörung15 Zitat bei Welzer 2016, S. 188, nach George Packer (2014): DieAbwicklung. Eine innere Geschichte des neuen Amerika.Frankfurt, S. 454.16 Welzer 2016, S. 192. E macht darauf aufmerksam, dassdie Gestapo, weil ihr Wirken noch von einer Vielzahl vonDenunzianten etc. abhängig war, weit uneffektiver gewesen ist alsdiese Geheimpolizei der Konzerne, die wir freiwillig mit unserenprivatesten Daten beliefern.17 Evgeny Morozov (2014): Über die Umwandlung des Privatlebensin Vermögenswerte, Le Monde Diplomatique Nr. 1048118 Morozov 201419 „Die Grenzen der Länder würden ihre Bedeutung verlieren, weilsie sich nicht mehr absperren lassen. Die Landesverteidigung,weil zur Unmöglichkeit geworden, würde aufhören, diebesten Kräfte der Staaten zu verschlingen, und das zwingendeBedürfnis, die Streitigkeiten der Nationen auf andere Weise zuschlichten als in blutigen Kämpfen um die imaginär gewordenenGrenzen, würde uns den ewigen Frieden verschaffen.“. Aus:Waßermann, M. (1991): Otto Lilienthal - Ein Leben für einenMenschheitstraum. In: Hundert Jahre Deutsche Luftfahrt, S. 9-29.Gütersloh: BertelsmannFORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4zum Kapitalismus gewalttätig und ist es auch heute.Ideologisch hilfreich war dabei die christliche Religion,die den Untertanengeist und die »Fabriktugenden« desunaufhörlichen Arbeitens zur Voraussetzung für dasewige Leben im Paradies erklärte20. Otto Ullrich, Fabian21 Otto Ullrich (1979): Weltniveau. In der Sackgasse desIndustriesystems. Berlin: Rotbuch; Fabian Scheidler (2015):Das Ende der Megamaschine. Geschichte einer scheiterndenZivilisation.Wien; Jean Ziegler (2009): Der Hass auf den Westen.München.22 Ullrich, Weltniveau, S. 13.20 Vgl. dazu Max Weber (1904/5, 1920): Die protestantische Ethikund der Geist des Kapitalismus. Tübingen.23 Hubert Markl: Pflicht zur Widernatürlichkeit. SPIEGEL Nr. 48,1995, S. 206 ff.24 Ralf Fücks (2013): Intelligent wachsen. München, Hanser.25 Markl (1995)26 Bundesministerien für Bildung und Forschung und Ernährungund Landwirtschaft (2014): Bioökonomie in Deutschland.Chancen für eine biobasierte und nachhaltige Zukunft, Berlin.Zitiert nach Christiane Graefe (2016): Bioökonomie. Wie einegrüne Idee gekapert wird. Blätter für deutsche und internationalePolitik, Nr. 8. 2016, S. 97 ff.27 Günter Ropohl (1998): Wie die Technik zur Vernunft kommt –Beiträge zum Paradigmenwechsel in den Technikwissenschaften.Amsterdam: Verlag Fakultas, S. 10ff.28 Dazu gehören neben der Atomspaltung bzw. Kernfusion dieGentechnik, die Extraktion und Verpressung von CO2 (CCS),die Nano-Technologie, aber auch das Überschallflugzeug,der Senkrechtstarter, der bemannte Weltraumflug zwecksErschließung von Ressourcen von anderen Planeten etc. Aktuelldürfte das autonome Autofahren der nächste Kandidat desScheiterns sein.FORUM WARE 43 (2015) NR. 3 - 4

8WARE - WIRTSCHAFT - NATUR9TECHNIK/TECHNOLOGYDer Technik-Optimismus von Marxisten wie Nicht-macht in seinem Buch »Der Arbeiter«32 die ProtagonistenKapitals35 als ideale Welt für ihren Ausbeutungsprozessnie zuvor zugänglich ist, besoffen von den »Erfolgen«Marxisten geht auf die von Francis Bacon begründetender Industriegesellschaft zu „Soldaten der Technik“,anstrebt [ ] Einteilen nach quantitativen Größen,der industriellen Revolution, in den Zustand der IdiotiePrinzipienTechnikzu „Trägern des kriegerischen Kampferlebnisses imWägen und Messen nach immer exakteren Maßen,hineingesteigert hat, den Einstein befürchtete. „Anyonezurück: Der Mensch soll die Natur nicht nur verstehenindustriellen Bereich“. Bernhard Kellermann, der zunächstdie Abstraktion von individuellen Interessen und diewho believes exponential growth can go on foreverund erforschen, er soll sich ihrer „bemächtigen“, siean der Technischen Hochschule München studierte undRechnungsführung des Kontors sind »der Geist« der neuenin a finite world is either a madman or an economist“,unterwerfen und mit harter Hand steuern – nur danndann Schriftsteller wurde, schreibt in seinem ErfolgsbuchWissenschaft und des Kapitals.“ Das soziale Leitbildsagt dazu der Ökonom Kenneth Boulding. Immer nochkann der Mensch, und zwar der Mann (die Frau ist für»Der Tunnel« über die Hauptfigur, den Ingenieur Allen:dieser Technik ist der individuelle Konkurrenzkampfwird nach Methoden gesucht, den 2. Hauptsatz derBacon Teil der Natur), „sich auf die Natur stürzen, ihre„Die Augen dieses Mannes waren kühn und klar, stählernauf allen Ebenen und ein primitivierter Darwinismus –Thermodynamik (Entropie-Satz: Energiewandlung inKastelle und Vorposten erstürmen und besetzen und dieund blinkend. Er hatte während des gesamten Vortragesdie „Gesellschaft“ gibt es nicht, wie Margaret Thatchereinem geschlossenen System führt immer zu einemGrenzen des Reiches der Menschen so weit verlagern, wieweder gelächelt noch einen Scherz gemacht“.meinte. Die Individuen, die Unternehmen, die bis anschließlich nicht mehr nutzbaren Zustand) zu umgehendie Zähne bewaffneten Kampfeinheiten gleichen, dieund das „Perpetuum Mobile“ zu schaffen. Elmar AltvaterAuch wenn Ingenieure, wie bei Kellermann, denStaaten werden „marktkonform“ organisiert. So werdenbeschreibt in einem Aufsatz die „SteigerungsformenVom Kapital ist hier noch nicht die Rede. Es handelt»Gegner« nicht nur in den Naturgewalten, sonderndie Erfolgsfaktoren der natürlichen und humaneneinersich um das natur- und technikwissenschaftliche Musterauch an der Börse ausmachen, weil die »Kaufleute«Entwicklung zerstört: Achtung der

Die Ware und ihre Bedeutung für Mensch, Wirtschaft und Natur The Commodity and its Significance for Man, Economy and Nature Les produits